Text und Bilder: Sophia Hess
Die erfolgreiche Influencerin Anouschka Marlene hat ihren Instagram-Account mit über 70k Followern aufgegeben und einen neuen Account von 0 gestartet. Der Grund? Sie weigerte sich, ihr Profil ausschließlich nach den Spielregeln des Instagram-Algorithmus und den Erwartungen anderer zu gestalten. Die Studentin möchte die Plattform viel mehr dafür nutzen, ihre Kreativität frei auszuleben und sich selbst auf authentische Weise zu zeigen.
Der Instagram-Algorithmus ist wohl für viele Influencer*innen ein leidiges Thema geworden. Neben der ohnehin noch viel zu häufigen Diffamierung von Influencer*innen, können ebenso technische Bedingungen der Plattformen selbst eine nicht zu unterschätzende Hürde sein. Leute dieser Berufsgruppe sind Pioniere innerhalb neu entstandener Berufe im digitalen Zeitalter. Die Erwartungen sind groß und vielfältig. Follower*innen wollen inspiriert, entertaint oder in ihren Anliegen und Interessen vertreten werden. Auftraggebende nutzen Influencer-Marketing zugleich als neue Verkaufsstrategie. Dabei ist der Konkurrenzdruck ebenso groß wie die Erwartung, 24/7 online und erreichbar zu sein. Aber auch der Nutzen liegt bei einer großen Reichweite auf der Hand: Influencer*innen sind ihre eigenen (oftmals gut bezahlten) Chefs, können i.d.R. viel reisen und haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf ihre Follower*innen, was letztlich Rezo eindrucksvoll vor den Europawahlen zeigte.
Ich traf Anouschka auf der Museumsinsel in Berlin. Die Kunstgeschichtsstudentin hat sich viel Zeit genommen, ausführlich mit mir über ihren Alltag als Influencerin und Studentin zu sprechen. Anouschka nimmt kein Blatt vor den Mund, spricht Dinge so aus, wie sie ihr in den Sinn kommen. Ihre Ehrlichkeit macht sie umso charmanter und charismatischer; sie ist eine Person, die im Gedächtnis bleibt. Angesichts ihres kreativen und ästhetischen Anspruchs verwundert es nicht, dass sie sich vom ‚Instagram Game’ eingeengt fühlte und eine radikale Entscheidung traf, die aber wie sie sagt, die „beste überhaupt“ war. Wir sprachen außerdem darüber, wie Anouschka mit Konkurrenzdruck umgeht, welche Tipps sie für angehende Influencer*innen hat und wie ihre Zeit im Reality-Format Berlyn war.
Ich habe ungefähr mit 16 angefangen als Modell in einem Vintage-Laden zu arbeiten. Wir haben da jede Woche Fotos gemacht von den neuen Klamotten, die zum Verkauf angeboten werden sollten. Ich selbst fand die Fotos so cool, dass ich angefangen habe, sie auf Instagram hochzuladen. Danach habe ich eigentlich relativ schnell so 5.000 bis 6.000 Follower gehabt, was damals schon voll viel war. Das ist mittlerweile fast neun Jahren her. Dann bin ich mit 19 Jahren nach Leipzig gezogen und hatte dann etwa 10.000 Follower; es ist also zum Selbstläufer geworden.
Nee, gar nicht. Ich habe einfach nur die Fotos hochgeladen, die wir gemacht haben.
Ich würde so sagen ab 10.000 Follower. Weil mir ab da langsam auch Brands geschrieben haben, ob sie mir etwas schicken können und ob ich das dann auf einem Foto posten würde. Das war damals für mich so voll: ‚Oh mein Gott, die wollen mir was schenken’. Da habe ich mir zum ersten Mal gedacht: ‚Ok krass, das ist jetzt schon echt ein Selbstläufer geworden’.
Auf der einen Seite gibt es ja nicht nur einen Algorithmus, sondern es gibt verschiedene Algorithmen in die man reinrutscht oder eben nicht. Ich habe in meinem Engagement in den letzten zwei Jahren den Abfall von etwa 60 oder 70 Prozent bemerkt; hatte also weniger Engagement, Follower usw., obwohl ich nichts Anderes gemacht habe als vorher. Dann fragt man sich irgendwann: ‚Warum sehen nur noch 14.000 Leute meinen Post anstatt wie früher 100.000 Leute?’ - Ist halt komisch. Und das hat dann irgendwann keinen Spaß mehr gemacht.
Ich dachte mir auf der anderen Seite, dass ich mich kreativ ein bisschen, sag ich mal, eingeengt gefühlt habe. Ich hatte das Gefühl, ich kann nicht alles posten was ich will, weil die Leute von mir eine gewisse Art von Posts erwarten. Und dann habe ich mir einen neuen Account erstellt und poste jetzt nur noch die Sachen, die ich auch selber cool finde. Ich lege jetzt auch nicht mehr so viel Wert auf Perfektionismus und dass der Feed hammer toll aussieht, weil ich das total lächerlich finde. Ich poste einfach nur noch was ich will.
Das war ne ganz lustige Zeit (lacht). Ich weiß nicht, ich bin da so reingerutscht, weil ich vorher schon Vlogs gemacht habe für RTL II YOU. Die habe ich aber selber geschnitten und selber produziert.
Das Team hatte mich einfach angefragt, ob ich das machen will. Und als ich das ein halbes Jahr gemacht hatte, sind sie dann nochmal auf mich zugekommen und haben mich gefragt, ob ich in eine Vlogger-WG einziehen will. Das war finanziell ein sehr gutes Angebot und ich dachte mir so: ‚Ok, kein Schwein guckt sich an, wie so fünf Pappnasen hier irgendwie so vloggen.’ Und das Ding ist, am Anfang hat es noch voll Spaß gemacht, auch weil mein bester Freund Ruben mit eingezogen ist. Aber wir mussten sieben Tage die Woche filmen und hatten auch keine Wochenenden. Wir mussten jeden Tag Material abgeben und es musste eine kohärente Story sein. Ganz ehrlich, ich muss sagen, irgendwann hat einen auch der Drive verlassen und ich finde, man braucht auch mal zwei Tage die Woche, an denen man mal rechargen und sagen kann, heute muss ich mal nicht Selbstdarstellung betreiben.
Ich würde sagen, dieser konstante Vergleich, dass man sich die ganze Zeit mit anderen Girls in einem direkten Konkurrenz-Verhältnis sieht. Ich finde, das ist eine Mentalität, aus der man sich entweder selbst rausholt oder du bist eben drin. Es wird natürlich auch von der ganzen Society gepusht und gepusht, weil es obviously im Endeffekt nur darum geht, wie viele Follower man hat und wie viele Likes man für ein Foto bekommt. Und daran wird dein Wert, sag ich mal, abgelesen.
Es gibt welche, ja. Aber es gibt auch welche natürlich, bei denen das gar keine Rolle spielt. Aber allgemein auch von außen, etwa die PR-Agenturen, irgendwelche Auftraggeber und Firmen. Das ist auch während Jobs, wenn du z.B. mit anderen Influencern zusammen gebucht bist und die anderen haben mehr Follower als du, merkst du einfach die unterschiedliche Behandlung und unterschiedliche Wertschätzung.
Ja natürlich!
Klar tauscht man sich untereinander aus, aber es gibt natürlich auch einen Richtwert nach dem man bezahlt wird. Aber man fühlt sich halt irgendwie so wie Ware, wie Fleisch in der Metzgerei.. Und das Gefühl ist unangenehm.
Ich denke bei Models ist es noch ein bisschen anders, weil es noch etwas andere Kriterien gibt. Und zwar, wenn Fotografen außergewöhnliche Models oder ein ‚new face’ suchen, was sie interessant finden, dann sind die Follower nicht so wichtig. Also klar gibt es immer mehr Brands, die Wert auf Following legen. It-Girls wie Kendall Jenner werden natürlich mehr gebucht. Aber ich glaube, es kommt schon darauf an, ob du ein gutes Model bist oder nicht. Bei Influencern auf der anderen Seite geht es meistens wirklich nur um die Follower. Außer die Brand ist cool und hat sich schon ein bisschen weiter entwickelt und das ganze mehr durchschaut und sagt: ‚Hey wir wollen aber lieber jemanden, der das repräsentiert, was wir auch cool finden und vielleicht die richtige Zielgruppe hat.’ Aber das ist glaub ich so eine Sache, die erst langsam wirklich in Deutschland kommt.
Ja, ich habe ganz oft Sachen abgelehnt.
Ich glaube, ‚Tipps’ sind schwierig. Einfach regelmäßig posten, qualitativ hochwertige Sachen posten. Also einfach gucken, dass die Bilder einen gewissen Standard haben, also Bildqualität usw. Ansonsten gibt es mittlerweile eine relativ weite Range von Dingen, die beliebt sind. Es gibt auf der einen Seite Influencer, die nur Spiegelreflexkamera-Bilder posten. Es gibt Influencer, die nur analog posten und sich wahnsinnig viel Mühe damit machen und ganz viel Geld ausgeben und das selber einscannen. Und dann gibt es die Influencer, die nur Handy-Pics posten und auch teilweise wirklich nicht so gute Handypics, aber die eine gewisse Aesthetic haben und trotzdem gut ankommen. Ich glaube, da muss man einfach seinen Weg finden und mal gucken, was bei einem am besten läuft.
Ich glaube, du kannst es nicht planen. Also entweder es funktioniert für dich, also entweder du hast Glück und es tritt dann etwas los, oder eben nicht. Ich glaube nicht, dass du sagen kannst: ‚Ich werde jetzt Influencer’ - und dann wirst du auch Influencer. Einfach probieren und dann gucken. Ich meine, für den Anfang ist es auch gut, sich mit anderen Influencern zu treffen und auch eine größere Reichweite zu bekommen, aber ich finde es schwierig, sich nur wegen Likes und Followern mit Influencern anzufreunden.
Ganz einfach, wenn ich Uni hab, mach ich keine Jobs (lacht).
Deswegen habe ich zum Beispiel letztes Semester nicht so viel Uni gemacht, weil ich relativ viele Aufträge hatte. Ich glaube, da muss man einfach gucken, wie es gerade läuft und dann je nachdem wie viel Uni du dir nebenbei noch zumuten kannst. Jetzt gerade habe ich viel Uni, weil ich jetzt sowieso keinen großen Account mehr habe. Aber letztes Jahr ist es mit den Jobs ganz gut gelaufen und deswegen habe ich zum Beispiel letztes Jahr nicht so viel Uni gemacht. Es gibt auch Leute, die das wirklich hauptberuflich machen wollen, dann weiß ich nicht, wie die das mit der Uni machen. Also mir war es immer wichtiger, irgendwann einen Abschluss zu bekommen.
Eben, du kannst ja nicht sagen, wie lange das überhaupt noch gehen wird mit dem Influencer-Marketing. Jetzt schon glaube ich, ist es schwierig für Leute, die unter 100.000 Follower haben, davon zu leben.
Ja, ich mag’s voll gerne.
Ich habe mich schon immer für Kunst interessiert, bin allerdings künstlerisch nicht begabt, glaub ich. Ich habe mich noch nicht künstlerisch ausprobiert, aber ich habe mich theoretisch schon immer interessiert und wollte einfach etwas lernen, was mich auch interessiert. Ich habe davor ja angefangen Jura zu studieren und das fand ich scheiße. Dann dachte ich mir so, bevor ich mich jetzt jahrelang mit irgendwas aufhalte, was ich blöd finde, um dann irgendwann in zehn Jahren zu merken: ‚Oh mein Gott, ich habe den größten Fehler meines Lebens begangen’, mache ich eben etwas, was mich interessiert und guck mal, wohin es mich führt. Mein Zweitfach ist BWL, damit kann man ja auch Sachen machen. Ich habe mir eine Kombi ausgesucht, wo ich wenigstens eine Sache habe, die handfest ist und eine Sache, die mich interessiert.
Ich bin 2014 nach Berlin gekommen und ich finde es mega geil. Ich wollte auch schon immer nach Berlin. Das war genau das, was ich wollte und genau das, was ich mir vorgestellt habe. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen innerhalb von Deutschland wieder in eine andere Stadt oder irgendwo anders hinzuziehen. Also das ist auf jeden Fall meine Endstation in Deutschland.