Balenciaga Spring/Summer 2019 - Demna Gvasalias "Neo-Schneiderei"

Paris, 30. September 2018. Fashion Week, Ready-To-Wear, Spring/Summer 2019. Der Laufsteg gleicht einem riesigen LED-Tunnel, ausgestattet mit futuristischen Bildschirmen, welche zunächst nerdige Quellcodes auflisten. Die Bildschirme versprühen aufgrund der Computer-Typografie einen Hauch 80er-Nostalgie, erinnern zugleich an gegenwärtige Digitalisierungsfragen und geben einen science-fiction-moment zukünftiger Technisierungsstrukturen.

Düstere Zukunftsprognose?

Die Show geht los. Das Licht in tiefem Blau der Bildschirme getränkt, schallt düstere, fast schon furchteinflösende Musik auf den Laufsteg. Demna Gvasalia scheint eine düstere Zukunftsprognose zu Themen der Digitalisierung und künstlicher Intelligenz zum Ausdruck zu bringen. Die Show eröffnet ein Model mit einem schwarzen Mantel, welcher vor allem durch seine übertriebene Schulterform und seinen steifen Schnitt auffällt. Die Bildschirme verändern ihre Inhalte. Nachddem die Quellcodes wie verflüssigte Elemente ineinander übergehen, nehmen nun immer dunkler werdende wellenartige Muster den Raum ein.

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C-Linien Schnitte - Hommage auf Cristóbal Balenciaga

Weitere Models strömen in aprupten, puppenartigen Bewegunen auf den Laufsteg. Alle zunächst in verschiedenfarbigen blazerförmigen Mänteln gehüllt. Es folgen Kleider mit kleinen Stickereien, Anzüge mit Prints, Bowling-Shirts und spitze Cowboy-Stiefel. Gvasalia macht sich die berühmten C-Linien-Schnitte und skulpturalen Silhouetten von Cristóbal Balenciaga zu eigenen - eine Hommage an den einstigen Modeschöpfer? Die Schnitte sind für eine zeitgenössische, technikversierte Kundschaft gemacht. Die Mäntel kommen ohne Schulterpolster aus, die handwerkliche Kunst des Schneiderns steht bei dieser Show im Mittelpunkt von Gvasalia. Und mehr noch, es ist ein Handwerk, welches der Designer für die Zukunft zu entwickeln versucht. Gvasalia bezeichnet seine Arbeit als "Neo-Schneiderei".

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Kontinuität handwerklicher Qualitätsarbeit

Der Lauftseg scheint visuell in Flammen aufzugehen, nachdem die dunklen Wellen ineinander übergegangen sind. Die roten Wellen erinnern an heiße Lava, die langsam aber unaufhörlich den Raum einnehmen. Ein Ausdruck destruktiver Strukturen im digitalen Zeitalter? Die weiblichen wie männlichen Models strömen weiterhin mit Lederhosen, Gürtelschnallen, Eiffelturm-Kettenmotiven und kleinen herzförmigen Taschen auf den Lausteg. Während die Szenerie technische Weiterentwicklung und unaufhaltsame Veränderung verspricht, besinnt sich Gvasalias Mode auf eine Kontinuität der handwerklichen Qualitätsarbeit. Die Kollektion hastet keinen anderen Trends der Pariser Modewoche hinterher, geprägt von Neonfarben und klobigen Daddy-Shoes. Aber das hat Balenciaga auch gar nicht nötig, war es doch das Modehaus, welches bereits in vorangegangenen Kollektionen genau jene Trends gesetzt hat.

Jon Rafmans LED-Kunst

Gvasalia arbeitete mit dem berühmten Künstler Jon Rafman zusammen, der die LED-Kunst plante und kreierte. Gvasalia sagte nach der Show: "We wanted an experience, which was like being inside someone’s digital mind". In der Tat war die Show ein Projekt, welches in diesem Ausmaß noch nie zustande gekommen war; nie gab es so viele Bildschirme an einem Ort. Gvasalia weiß genau, wie man sich Publicity zunutze macht. Sicher eine Zutat seines unglaublichen Erfolgsrezeptes. Die Modewelt ist begeistert von Balenciagas neuer Kollektion - und COUTURISTA ist es auch. Es bleibt abzuwarten, was Gvasalia als nächstes aus den mit Raglanschultern ausgestatteten Ärmeln schüttelt. 

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